Dienstag, 1. September 2015

Rechtspopulismus und "self-fulfilling prophecies"

Was haben Rechtsparteien in ganz Europa an sich, dass so viele Menschen anzieht? Sie kommen zum Teil auf fast 30% der Stimmen (in Ungarn gar knappe 45%), lt. Umfragen könnte es auch in Österreich bald so weit sein. Viele Politikwissenschaftler und Kommentatoren zerbrechen sich den Kopf. - Ist es, dass sie den Menschen besser zuhören? Ist es so, dass sie sie besser „ernst nehmen“? Ist es, dass nur sie sich den „echten Gefahren“ widmen? Es gibt so manche Theorien - aber folgende habe ich zumindest noch nie irgendwo gelesen oder gehört. Seit längerem geistert sie durch meinen Kopf und umso mehr ich mich damit beschäftige, desto klarer wird sie für mich. Warum ziehen Rechtspopulisten also Menschenmassen an?

Rechtspopulismus funktioniert wie ein Strudel. Er reißt in die Tiefe und es ist schwer, daraus wieder zu entkommen:
Die größte Gefahr an rechtspopulistischer Politik ist, dass sie wie eine selbsterfüllende Prophezeiung funktioniert. Es ist nicht so, dass sie reale Gefahren voraussagt und darauf reagiert. Vielmehr erzeugt sie durch das Schüren der Angst Situationen, die erst dadurch zu Gefahren werden, dass man vorher Angst davor geschürt hat. Diese Gefahren können letztendlich solche Ergebnisse vorbringen, dass es scheint, als ob man Gefahren richtig erkannt hatte. Und darauf fallen viele Menschen herein, was dazu führt, dass die Partei noch mehr Zuspruch erhält und die Spirale dreht sich weiter.

In der Fremdenpolitik - das Zentrum rechtspopulistischer Politik - funktioniert das so, dass man vor „Ausländern“ als Gefahr für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft warnt und als Lösung vorschlägt, sie auszuschließen und „gesondert“ zu behandeln (extra Klassen für Kinder; gesonderter Zugang zum Arbeitsmarkt; am liebsten hätte man eigene Gesetze, die nur für Nicht-Österreicher gelten). Dies beginnt man dann umzusetzen, in der Meinung, dadurch einer „Krise“ vorzubeugen. Doch gerade dadurch erzeugt man die Krise erst. Die Menschen erhalten durch die Restriktionen keinen, oder nur sehr wenig Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, ihre Kinder erhalten eine schlechtere Schulbildung, dadurch werden sie als Erwachsene eher arbeitslos. Durch fehlende (staatliche) soziale Netze funktioniert der Ausgleich sozialer Schichten schlechter - Migrantenkinder bleiben, wenn sie aus diesen stammen, eher in ärmeren und schlechter gebildeten Gesellschaftsschichten, was die Probleme aufrecht erhält und verstärkt. Diese rechte Politik erzeugt fehlende Integration. Ironischer Weise, schreit sie am lautesten, die „Fremden“ sollten sich integrieren.

Hätte man ihnen von Anfang an gleiche Chancen und Rechte eingeräumt - was man nicht tat, aus Angst, die Immigranten würden das „ausnutzen“ oder „uns etwas wegnehmen" - hätte man viele wahrscheinlich  Probleme gar nicht in dieser Form erzeugt - und wenn sie trotzdem entstanden wären, wären sie viel weniger stark ausgeprägt. 
Doch die Prophezeiung erfüllt sich selbst und die Rechtspopulisten (und Konservativen) klopfen sich auf die Brust und sagen, „haben wir es euch nicht gesagt“.

Ja genau - das ist ja das Problem -  sie haben es so lange gesagt, bis es alle als Realität wahrgenommen haben, noch bevor es da war.

Genau das gleiche wird mit den aktuellen Flüchtlingsströmen passieren, wenn wir - und da ist ganz besonders die Politik gefragt - nicht endlich umschwenken. Wenn wir die Flüchtlinge weiter wie Feinde behandeln, ihnen weiter ihre Menschenrechte verwehren, sie weiter in Massen sterben lassen, sie schlecht behandeln und sie wie Vieh durch die Gegend karren. Wenn sie keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung haben, nicht genug Lebensmittel etc., dann werden sie irgendwann vielleicht zu dem werden, wofür wir sie jetzt schon halten, obwohl sie es gar nicht sind.
Sie sind nicht unsere Feinde, doch wenn wir lange genug so tun als ob, wird es vielleicht irgendwann ganz danach aussehen. Und dann wird es zu spät sein. Dann wird das Umkehren wesentlich schwerer werden. 

Und außerdem werden dann die Rechtspopulisten wieder sagen, sie hätten es ja gesagt. Obwohl genau das, das Problem war. Aber sie checken es einfach nicht.

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